Wir verlassen Kabale Richtung Kisoro. Eine Piste führt am Lake Bunyoni vorbei. Das ist einer der wenigen Seen in Ostafrika, der weder Krokodile, Hippos und vor allem keine Bilharziose-Erreger hat. Man kann also sorglos in ihm planschen und er ist eingebettet in wunderschöner Berglandschaft. Alleine hier könnte man sich Wochen aufhalten ohne sich zu langweilen. Aber uns zieht es weiter zur Grenze nach Ruanda. In Kisoro machen wir noch eine Kaffeepause im legendärem Travellers Guesthouse. Das wurde in den 70ern von Walter Baumgärtel geführt. Einem Weggefährten von Diane Fossey. Im Haus hängen noch einige Zeitungsberichte aus den Zeiten, wo Diane Fossey mit Unterstützung von Baumgärtel für die Berggorillas gekämpft hat. Gerade in Afrika hören und lesen wir oft, wie Einzelne mit Mut und Einsatz unheimlich viel bewegen konnten.
Wenige Kilometer weiter stehen wir an der Grenze zu Ruanda. Der Grenzübergang ist absolut problemlos. Mit deutschem Paß ist auch kein Visa notwendig. Das erste Mal für uns in Afrika. Unser Tagesziel ist Gisenyi am Kivu See.
In Ruanda ist wieder Rechtsverkehr und wir müssen uns entsprechend umstellen. Zur rechten bauen sich die mächtigen Virunga-Vulkane auf. Auf der Straße ist mächtig was los. Nicht unbedingt der Verkehr aber unheimlich viel Fußvolk. Nicht nur in den Dörfern, sondern einfach überall. Die Straße windet sich auf über 2000 Meter und es wird recht kühl bevor es wieder hinunter zum Kivu-See geht. Gisenyi und der See sind weniger aufregend als gedacht. Wir steuern ein Hotel an, daß etwas oberhalb vom See liegt. Das wird überraschend schwierig. Die (unbefestigten) Straßen in Gisenyi sind die übelsten die uns bisher untergekommen. Teilweise unglaublich steil und ausgewaschen und wir haben echt Mühe zum Hotel zu gelangen. Hier können sich nur Allradfahrzeuge bewegen.
Unser Hotel hat einen tollen Blick über den See und bei einem kühlem Bier ziehe ich mir den Sonnenuntergang über dem Kongo rein. Schon seit Tagen lese ich das Buch “Kongo” von meinem belgischen Landsmann David van Reybrouk. Jetzt sind wir dem Kongo so nahe, wie wir ihm nur sein können. Goma, im Kongo liegt nur 5 Km weiter westlich.
Aus dem Buch erfahre ich, daß die Geschicke Kongos und Ruandas eng verflochten sind.
Faktisch wird der Osten Kongos von der ruandischen Armee kontrolliert. Schon der Bodenschätze wegen. Aktuell ist es in Goma wieder sehr unruhig. M23 Rebellen haben die Stadt vor wenigen Wochen eingenommen sich aber wieder zurückgezogen. Auf der Fahrt hierher haben wir UN-Flüchtlingscamps gesehen. Viele Zelte aber wenige Menschen. Man erwartet wohl viele Flüchtlinge, falls die Rebellen wieder Goma angreifen sollten.
Trotzdem ist das schwer zu erfassen. Ruanda scheint aufgeräumt und gut organisiert. Plastiktüten sind verboten und alles wirkt unafrikanisch sauber. Und ein paar Kilometer weiter im Kongo herrscht Chaos.
Wir fahren jetzt in die Hauptstadt Ruandas, nach Kigali. Ruanda wird auch das Land der 1000 Hügel genannt. Das stimmt wohl. Es reiht sich Kurve an Kurve und das fahren macht wirklich Spaß. Nach 160 Kilometer kommen wir in Kigali an. Sofort fällt uns der ruhige Verkehr auf. Die erste Haupstadt Afrikas ohne permanenten Verkehrsstau. Eher wie Darmstadt an einem Sonntagnachmittag. Größtes Problem für uns ist das finden einer günstigen Bleibe und unter 50 Dollar die Nacht für’s Zimmer tut sich da nichts. Wir wollen 2 Nächte bleiben und da müssen wir jetzt durch.
Wenn wir schon mal in einer Stadt sind, wollen wir auch ein wenig shoppen gehen. Aber, da ist alte Problem zwischen Mann und Frau. Unter dem Begriff “shoppen” verstehen wir einfach unterschiedliche Dinge. Hier ein Auszug aus einer Mail, die Martina an meine Schwester geschrieben hat:
” Betreff: Shoppen mit Lieven
…
Dein Bruder soll heute mit mir shoppen gehen! Hierbei sei angemerkt, das ich weder in Karthoum oder Addis Abeba, noch nicht einmal in Nairobi, und auch nicht in Kampala den Wunsch geäußert habe, shoppen zu gehen. Aber jetzt in Uganda sind mir Shirts aufgefallen, die lediglich stilisierte afrikanische Motive ohne jegliche Schriftzüge aufzuweisen hatten. Dann noch einen Deko-Stoff mit afrikanischen Tieren drauf, wirkte regelrecht dreidimensional. Als würden diese Tiere gleich aus dem Stoff springen. Irre. Diesen Stoff hätte ich super auf dem Motorrad transportieren können, zu Hause dann auf einen Rahmen spannen…, soweit der Traum!
Gesagt, getan, wir gehen shoppen. Ab Richtung City Centre. Schon im ersten Arte-Laden souffliert mir Lieven ins Ohr, ich solle daran denken, daß wir mit dem Motorrad hier sind. Wie könnte ich diese Tatsache vergessen? Schnell steht er wieder VOR dem Laden, er braucht natürlich dringend noch ein Headphone und einen Splitter. Die wirklich wichtigen Dinge im Leben!
Im zweiten Arte-Laden schießt er bereits aufgebracht an meine Seite und hält mir genervt eine Predigt, daß ich die Dinge kaufen soll, wenn ich sie sehe, es sei völliger Unsinn, nach etwas “Bestimmtem” zu suchen, dann findet man es sicher nicht und ist dann gefrustet und dann, und dann… Sein Redefluß hat uns inzwischen wieder auf die Straße gespült, jetzt hält er wieder zuversichtlich Ausschau nach Headphone und Splitter.
Ich peile gerade den dritten Arte-Laden an, da fällt ihm ein, daß er nicht nur Hunger hat, sondern einen “BÄREN-Hunger”. Wenn das SOOO ist, dann müssen wir erst mal was essen gehen. Großen Schrittes eilen wir in ein Fast-Food Restaurant, was in diesen Ländern bedeutet, das Du Dein Essen statt nach zwei Stunden, schon nach einer bekommst. Zusätzlich befindet sich dieses Restaurant in einer Shopping Mall, der Alarm irgendeines Geschäftes schrillt vor sich hin, ohne abgeschaltet zu werden. Bis das Essen endlich kommt, sind wir bereit, uns aufzuhängen.
Wieder auf der Straße gibt es wenig Arte-Läden, dafür viel Elektronik-Shops. Lieven erbeutet wenigstens sein Headphone, er sieht zufrieden aus. Fehlt nur noch der Splitter, meine Arte-Läden geraten in Vergessenheit. Ein Blick auf die Uhr mahnt uns auch schon langsam zur Eile, damit wir nicht nach Einruch der Dunkelheit ins Hotel zurück kommen.
Der Shopping Nachmittag hat für Deinen Bruder damit ein erträgliches Ende gefunden!
…
“
Ich finde, Martina übertreibt hier maßlos. Immerhin bin ich sogar in die Souvernierläden mit hineingegangen!!
In unserem Hotel, eher ein Guesthouse, sind wir, wie so oft, die einzigen Gäste. Aber wenigstens gibt es für das Geld WLAN. Wir können unsere Internetangelegenheiten organisieren und über Skype zu Hause anrufen.
Ruanda wird vor allem mit dem Völkermord der Hutus an den Tutsis im Jahr 1994 in Verbindung gebracht. Wer den Film “Hotel Ruanda” gesehen hat, kann ermessen, was damals passiert ist. Wir besuchen das Genozid-Memorial in Kigali, in dem anschaulich das Grauen dokumentiert ist, welches damals wütete. Der Horror wurde erst beendet als der heutige Präsident Kagame (ein Tutsi) mit seiner RPF-Truppe von Uganda aus das Land eroberte.
Jetzt herrscht Kagame autokratisch über das Land und die die Dinge scheinen sicht gut zu entwickeln. Es gibt offiziel keine Hutus und Tutsis mehr. Alle sind jetzt Ruander. Das war sicherlich ein guter Schritt, um Rassenkonflikte im Keim zu ersticken.
Während also in Ruanda alles ganz gut läuft, sieht es im Kongo ganz anders aus. Als damals die RPF Ruanda erobert hat, sind über eine Million Hutus aus Angst vor Vergeltung über die Grenze in den Kongo geflüchtet. Da saßen also die vielen Flüchtlinge, die im Grunde zurückwollten. Das wußte auch Kagame. Also dachte er sich, bevor die sich bewaffnen und Ruanda angreifen, greifen wir zuerst an. Weil er aber keine offiziellen Krieg mit dem Kongo wollte, hat er den Kongo-Rebellenchef Kabila unterstützt. Der hat quasi den Kongo mit ruandischer Hilfe eingenommen und den langjährigen Kongo-Diktator Mobutu verjagt. Bei dieser Gelegenheit wurden auch gleich hunderttausende Hutu-Flüchtlinge umgebracht. Das war quasi die Rache durch die Hintertür, während in Ruanda die Opferrolle sorgfältig gepflegt wird.
Touristisch betrachtet ist Ruanda sicherlich kein Höhepunkt aber es ist ein Brennpunkt zentralafrikanischer Geschichte.
Ruanda ist ein kleines Land. Von Kigali zur tansanianischen Grenze sind es nur ca. 150 Km. Wir verlassen also die ruhige Hauptstadt und fahren durch schönes aber unspektaktuläres Bergland Richtung Südost. Das Wetter ist wieder mal durchwachsen und kurz vor der Grenze, spült uns ein Regenschauer kräftig durch. Aber direkt an der Grenze scheint zum Glück wieder die Sonne. Auch hier ist die Ausreise in wenigen Minuten erledigt und wir stehen auf der Grenzbrücke über den Ruzuma-Falls. Auf der anderen Seite können wir sehen, wie die Straße wieder ansteigt. Oben auf der Anhöhe ist die Grenzstation von Tansania. Wir sind gespannt was uns in diesem Land erwartet.