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Äthiopien – Road to Kenia

Posted by on 1. Januar 2013

[vorheriger Artikel]

Omorate – nochmal auf dem Schwarzmarkt volltanken bevor es auf die Piste nach Kenia geht

Am Omo-River -Omorate – eine der wenigen Stellen, wo man den Fluss zu Gesicht bekommt. Er ist der Haupquellfluss fuer den Turkana-Lake

Internationale Landverbindungen stellen wir uns eigentlich etwas anders vor. Die Piste vor uns ist eher eine Fahrspur als ein echter Weg. Ich checke nochmal mein GPS. Ja, diese Piste führt nach Illerit, dem ersten Ort in Kenia. Schon nach wenigen Metern merke ich, wie es mir mein Vorderrad wegwürgt. Der Sand ist einfach zu weich. Martina hat die selben Probleme. Das fängt ja prima an. Ich stoppe und lasse schon einmal Luft aus den Reifen. Jetzt geht es schon etwas besser aber von richtiger Fahrerei kann nicht die Rede sein. Wir wühlen uns im ersten oder maximal im zweiten Gang weiter. Bis Illerit sind es noch ca. 60 km und unsere Stundenschnitt beträgt nun ca. 5-10 km.

Start, Piste Richtung Kenia

Wird schon sandiger

Erster Fluss mit ganz viel Sand

Abbruchkante

Die ersten Flußbettquerungen stehen an. Die sind zwar trocken, aber komplett versandet. Steile Abbruchkanten an den Rändern und teilweise auch in der Mitte. Hier müssen wir die Motorräder förmlich “runterfallen” lassen um dann am gegenübeliegenden Ufer eine geeignete Stelle für den “Auftstieg” zu finden. Es ist ein gewühle un geackere.
Der Gedanke liegt nahe, einfach umzudrehen und die Hauptpiste von Moyale nach Marsabit zu wählen, ca. 500 km östlich. Aber wir sind ja schon offiziel ausgereist und haben kein gültiges Visum mehr für Äthiopien. Also müssen wir jetzt weiter.
Am Horizont zeichnet sich neues Unheil ab. Dunkle Regenwolken liegen genau vor uns. Im Moment sind wir aber zu beschäftigt um uns darüber Gedanken zu machen. Wir durchqueren immer wieder Stammesdörfer mit den jetzt hier typischen Halbkugelhütten. Die Frauen und Männer halbnackt wie bei den Hamer-Leuten. Es wäre wie in der Steinzeit, gäbe es nicht in jedem Dorf eine Schule aus Stein und Zisternen für das Trinkwasser. Frauen und Kinder laufen hinter und neben uns her, sei es damit wir gegen Geld Fotos machen oder auch nur aus Neugierde. In einem Dorf stürmen plötzlich hunderte Kinder aus der Schule als sie die Motorräder hören. Das ist schon fast beängstigend, wie die auf uns zurennen. Der Lehrer bekommt die gerade so unter Kontrolle. Mit Mühe kommen wir wieder aus dem Dorf raus. Wir haben jetzt auch noch andere Sorgen. Es hat zu nieseln angefangen und der Horizont ist dunkelgrau. Der Sand wird dadurch zum Glück etwas fester aber das ist auch der einzige Vorteil. Der Regen wird stärker. Ich befinde mich plötzlich auf einer schwarzen schlammigen Fläche, Martina ist schon ein gutes Stück voraus. Am Verhalten des Motorrades merke ich, daß ich gerade auf Seife fahre und schon haut es mir das Hinterrad weg und das Motorrad liegt auf der Seite. Drei Jungs, die zufällig zur Stelle sind, heben mit mir das Motorrad wieder hoch. Der Regen wird noch stärker. Überall bilden sich Pfützen. Wir sehen Gewitterblitze. Meine Fahrspur wird zum ca. 10 cm tiefen Bach. Martina vor mir auf der linken Fahrspur kämpft sich durch 20 cm tiefes Wasser mit starker Strömung, kann aber nicht auf meine Spur wechseln, da die Auswaschung zu tief ist. Steine oder Löcher auf der Piste sind nicht mehr zu erkennen, im Prinzip fahren wir gerade durch einen Fluß in Längsrichtung. Wir halten an um uns zu beratschlagen. Um uns herum mehr Wasser als trockene Stellen. Das Wasser versickert nicht, sondern fließt nur auf der Oberfläche in wilden Bachläufen in alle möglichen Richtungen. Wir sind sicher, hier abzusaufen, wenn nicht bald ein Dorf oder ähnliches kommt. Stur fahren wir weiter durch den Regensturm, ringsum Gewitter, durch Bäche, Pfützen und Wasserlöcher von denen wir einfach hoffen, daß sie nicht zu tief sind. Dann endlich, ein Dorf mit festem Gebäude.
Mann, das war knapp. In dem Gebäude mit mehreren Räumen sitzen junge Männer und Frauen. Einige Männer haben Gewehre und es gibt ein Funkgerät. Insgesamt ist die Athmosphäre reserviert aber freundlich. Weiterfahren können wir nicht also fragen wir, ob wir hier übernachten können. Ja, das ist kein Problem. Es gibt eine Scheune und dort können wir unser Zelt aufstellen.

Turkana Krieger

Schmierseife statt Piste

 

Schlamm statt Sand

Als wir unser Zelt aufgestellt haben, kommen einige der Jungs und meinen, daß wir aber auch eine Gebühr zu zahlen haben. 20 Dollar wäre angemessen. Ich rege mich mächtig auf, halte einen Vortrag über Gastfreundschaft und das die Summe viel zu hoch sei. Letztlich bezahle ich dann doch 10 Dollar an einen der Wortführer und dann noch einmal 5 Dollar an seinen Adjudanten damit wir unsere Ruhe haben.
Das Abendessen wird karg. Noch 2 Tütensuppen und das war’s.
Mühsam kommen wir in den Schlaf. Mitten in der Nacht wache ich auf. Erst denke ich, ich träume. Es ist stockfinster. Aber eine Viehherde wird durch das Dorf getrieben. Es fallen Schüsse. Sinai-Erinnerungen werden wach. Allerdings sind die Stimmen eher entspannt. Das Funkgerät ist in Betrieb und ich kann hören, wie über Funk miteinander geredet. Immer wieder wird geschossen. Wir haben keine Ahnung was da gerade abgeht. Uns bleibt nichts anderes übrig als abzuwarten und uns ruhig zu verhalten. Nach ca. 2 Stunden ist der Spuk vorbei und es kehrt wieder Ruhe ein.
Bei Morgendämmerung stehen wir auf. Kein Frühstück, kein Kaffee. Wir wollen weiter.

Abenddaemmerung in unserem “gastlichem” Dorf

 

Morgens im Dorf

 

Dorfhuetten

Scheunenzeltplatz

Unser “Dorfdolmetscher” mit seiner Schwester

Wir packen und ich versuche mein GPS einzuschalten. Geht nicht. Muß vom Regen gestern einen Schaden abbekommen haben. Kann ich gerade gebrauchen wie einen Kropf! Immerhin wissen wir laut Tacho, daß es noch ca. 30 Km nach Illerit sind. Zum Glück hat sich das Wetter beruhigt und die Sonne zeigt sich wieder. Die Piste ist aber desolater als am Vortag. Immer wieder hat der Regen die Spur weggerissen. Aber, 30 km, das ist doch lächerlich. Ist es nicht. Stellenweise läuft es ganz gut und dann finden wir uns in einem Schlammloch wieder, was mächtig Zeit kostet.

Links oder Rechts???

Dann, endlich ein Dorf mit einigen Offiziellen und eine Schranke. Ich frage, ob wir schon in Kenia sind. Nein, daß ist der letzte äthiopische Checkpoint. Noch 12 km nach Illerit. Also weiter im Gewühl. Zur rechten kommt der Turkana-Lake ins Sichtfeld und wir kommen an ein Dorf. Wieder frage ich nach dem Land; Ja, wir sind in Kenia. Halleluja.
Ein Isuzu-Truck mit einem Bautrupp macht sich gerade auf dem Weg nach Illerit. Immerhin, ein Fahrzeug. Fahrzeug heißt, befahrbarer Weg. Das beruhigt. Auf zu den letzten Kilometern nach Illerit.
Jetzt sollte es doch geschafft sein. Aber nein, kurz hinter dem Dorf löst sich der Weg in ein wirres Muster aus Rinnen, Sand und Schlamm auf. Eigentlich nicht fahrbar aber wir müssen ja trotzdem durch. Zu Fuß versuchen wir den besten Weg zu finden. Da, eine leichte Stelle, hier könnte es gehen. Martina setzt den Fuß in eine Rinne aus Schlamm und versinkt augenblicklich. Das ist ja wie Treibsand. Wir müssen einen komplzierten Weg mit steilen Abbruchkanten wählen. Kaum ist das geschafft, stehen wir vor einem mehrere hundert Meter breitem Schlammfeld. Langsam merke ich, wie es an den Kräften zehrt. Ich wühle, schiebe und füssele teilweise beide Motorräder da durch bis wir endlich wieder auf festen Boden sind. Noch 5 km bis Illerit. Wieder Sandpiste, aber wenigsten fahren wir wieder. Dann sind wir endlich da. Wir laufen bei der Polizeistation ein wo wir erstmal in den Staub sinken. Die kenianische Flagge weht über uns. Das Handy hat wieder Empfang. Wir haben haben es wohl geschafft.

Es bleibt sandig

Die Piste loest sich auf

1. Versuch dem Treibsand auszuweichen – hat geklappt

2. Versuch dem Treibsand auszuweichen – hat nicht geklappt

Martinas Schuhe

 

Schlammfeld

Schon jetzt ziemlich erledigt – und der Tag ist noch lange nicht zuende

Die Polizisten sind freundlich und unsere Ankunft wird registriert. Die Einreise selber müssen wir aber später in Nairobi machen.
Um Geld zu tauschen, schickt man uns erstmal zur örtlichen Mission. Eine Bank gibt es nicht. Dort begrüßt uns freundlich Pater Florian. Ein deutscher Missionar. Wir tauschen Geld und erkunden uns nach dem weiteren Weg. Der günstigste Weg wäre nach North Horr aber das sind locker 8-10 Stunden mit dem Motorrad. Er empfiehlt uns nach Allia Bay im Süden des Sibiloi-Nationalparks zu fahren. Dort sind die Park-Headquarters mit Unterkunftsmöglichkeit. Das wäre ca. 3-4 Stunden. Jetzt ist es ca . 12 Uhr. Wir sind kurz hin und her gerissen, ob wir in Illerit bleiben oder weiterfahren sollen, aber 3-4 Stunden. Das ist doch ok. Also fahren wir los.
Die Piste ist anfangs nicht schlecht aber lang nicht so gut wie erwartet. Nach 10 km stehen wir an einer Abzweigung. Offenbar geht es links nach North Horr und geradeaus zum Park. Also geradeaus. Die Piste wird immer unscheinbarer und nach einigen Kilometern sind wir uns plötzlich gar nicht mehr sicher ob das hier richtig ist. Mein GPS ist ausgefallen und in dieser Gegend auf gut Glück zu fahren scheint uns nicht wirklich klug. Wir drehen um nach Illerit um dort weitere Infos einzuholen.
An der Abzweigung kommt uns der Truck vom morgen entgegen. Er hält an und wir fragen nach dem Weg. Der Fahrer meint, das der Hauptweg nach Allia Bay (was auch ihr Ziel ist) und auch nach North Horr durch den Regen total verschlammt sei und für uns nicht passierbar ist.
Wir hängen also fest. Allerdings, der Laster hat noch viel Platz auf der Ladefläche und ich frage, ob sie die Motorräder und uns mitnehmen könnten. Fahrer und Manschaft beratschlagen kurz und sind einverstanden. Ich bereue meinen Entschluß, als ich feststelle, daß die Ladeklappe vom Laster fest fixiert ist. Das heißt, das die Motorräder über eine über 2 Meter hohe Ladekante müssen. Was für eine Aktion. Mit 12 Mann heben wir die Motorräder tatsächlich über die Kante. Das war nichts für schwache Nerven und jetzt schon sind unsere Tanks verkratzt und ein paar Teile verbogen.
Da der Truck ein Kieslaster ist, können wir die Motorräder auch nicht richtig fixieren. Mit allem Material und Spanngurten die wir haben versuchen wir unser bestes.
Jetzt fährt der Truck los. Es ist inzwischen sehr heiß. Die Ladeaktion hat mich total erschöpt und ich merke wie mir das Hirn flimmert. Wir sitzen mit 2 Motorrädern und 8 Mann auf der Ladefläche. Im Führerhaus der Fahrer und 2 bewaffnete Ranger. Die Piste ist brutal. Es fühlt sich an, als ob wir quer durch den Busch fahren. Immer wieder rutschen die Motorräder zur Seite und schlagen seitlich heftig auf die Landekante. Wenn es zu desolat wird, bekommt der Fahrer ein Signal und wir halten an um die Motorräder neu zu fixieren. Der Trupp hat zum Glück unendlich Geduld und nimmt sich alle Zeit um wieder alles zu richten. Im meinem Kopf blässt inzwischen ein Heißluftföhn und ich habe das Gefühl, das mein Gehirn nur noch damit beschäftigt ist, die lebensnotwendigen Systeme aufrecht zu halten aber richtig denken funktioniert nicht mehr. Wieder rutscht mein Motorrad zur Seite. Ich sehe wie durch einen Tunnel, wie es die linken Lenkerarmaturen komplett verdreht. Ich bin nicht fähig zu reagieren. Dann ein heftiges Schlagloch, wir fliegen alle einen halben Meter in die Luft um dann hart zu landen. Martina schreit auf, die Tränen schießen ihr aus dem Gesicht. Sofort klopft man am Führerhaus. Der Truck hält an und man bietet Martina einen Platz im Führerhaus an. Martina lehnt ab. Ich hätte gut verstanden wenn Sie nach vorne gegangen wäre, bin aber froh das sie bei mir bleibt und wenigstens sie die Kontrolle behält.
Die Motorräder werden neu fixiert und Martina hat die rettende Idee, die Alukisten zwischen die Motorräder zu verkeilen, damit sie nicht mehr zur Seite kippen. Diese Lösung hält endlich. Wir haben nur 2 Liter Trinkwasser dabei. Mir klebt die Zunge am Gaumen und ich fühle mich völlig dehydriert. Nach 3 Stunden ist das Wasser alle aber erst die Hälfte der Strecke geschafft. In einem Kanister habe ich noch Leitungswasser aus Äthiopien. Ich überlege kurz, aber nur kurz, dann machen wir uns auch über diesen Kanister her. Das Wasser war für den Notfall gedacht und wenn das kein Notfall ist, dann weiß ich auch nicht.
Unser Truck fährt quer durch den Sibiloi-Park, einem der abgelegensten Tierparks Afrikas, direkt am Turkana-Lake gelegen. Wüstenhaftes Buschland. Berge und Hügel, weite Ebenen und schroffe Kanten wechseln sich ab. Hier ist auch die Wiege der Menschheit. Mit die ältesten Menschheitsknochen wurden hier gefunden. Eine Gegend für Abenteuer und Entdecker.
Wir werden auf die Tiere aufmerksam gemacht. Dort wilde Esel, dann die ersten Zebras, Antilopen. Immer wieder blicken wir auf den Turkana-Lake. Eigentlich ist das alles grandios aber ich bin primär damit beschäftigt, den Tag zu überleben.
Die Sonne verschwindet hinter dem Horizont und dann kommen wir endlich im Park-Headquarter an. Ich bin total geschafft und die Motorräder müssen ja auch noch wieder runter. Zuerst halten wir aber an einem kleinem Laden. Der hat gekühlte Getränke. Ich spendiere eine Runde Cola für alle und wir sammeln jetzt nochmal die Kräfte für das abladen. Der Truck fährt an Laderampe und wieder mit 10 Mann bekommen wir die Motorräder ohne weiteren Schaden abgeladen. Ich mache noch eine kleine Testfahrt und wundersamerweise ist nichts relevantes kaputt gegangen.
Die Ranger vom Headquartar empfangen uns superfreundlich. Sie sehen wie erschöpft wir sind und bieten uns den Schlafraum für offizielle Gäste an. Es gibt ein gute Dusche und vernünftige Toiletten.
Zufällig ist auch eine deutsche Reisegruppe von “Hauser” da, die expeditionsmäßig hier zum See gefahren ist. Diese versorgen uns noch mit einem Abendessen und total knülle falle ich ins Bett. Ich beschließe, das dies einer der härtesten Tage in meinem Leben war.
Sorgenfalten bekomme ich aber, als ich realisiere, daß wir jetzt noch lange nicht in Sicherheit sind. Wir sind mitten in der unwirtlichsten Gegend von Kenia. Die nächste Feuerprobe steht uns noch bevor aber das wissen wir zum Glück in dieser Nacht noch nicht.

Ankunft in Illerit

Aufladen Motorrad Lieven I

 

Aufladen Motorrad Lieven II

 

Aufladen Motorrad Martina I

 

Aufladen Motorrad Martina II

 

Ging mir schon besser

3 Responses to Äthiopien – Road to Kenia

  1. Laurens

    Hab ich Euch nicht gesagt das die Strecke extrem ist? Artur hat die Gegend richtigerweise als “riesigen Sandkasten” bezeichnet. Wir hatten keinen Regen, mussten dafür aber die Geröll- und Sandpassagen meistern, die Ihr glücklicherweise mit dem Truck “überbrücken” konntet. Glück gehabt. Das zeigt einmal wieder, wie nah die Rettung in Afrika selbst in der absoluten Einöde ist.

  2. Roland Schmitt-Hartmann

    Hallo Lieven,

    hier in Darmstadt fiebern wir mit euch mit :-) Superspannend, was ihr erlebt. Ich freue mich immer, wenn ich mich wieder auf den neusten Stand bringe.

    Viele Grüße Roland

  3. norbert schäfer

    lieber lieven
    liebe martina
    wir schicken euch liebe grüße von zuhause.
    wir lesen und staunen.
    achtet auf euch und habt eine schöne zeit,wir umarmen euch.

    viele grüße
    lotte und norbert