Mein Riß im Vorderradreifen macht mir Sorgen. Schwer zu beurteilen, ob der die Piste Moyale – Marsabit übersteht. Moyale ist die Grenzstadt zwischen Äthiopien und Kenia und die Piste nach Marsabit ist eines der Topthemen bei Overlandern. Es gibt hier 2 Schwierigkeiten; Zum einen ist diese Piste ein echter Fahrzeugkiller ob des harten Wellblechs und der vielen Schlaglöcher und zum anderen wird man auf dieser Strecke ab und an beraubt oder beschossen. Alternative wäre die Route über den Turkana-Lake, diese ist aber sehr abenteuerlich und wir haben da auch wenig Infos. Momentan haben wir aber die Moyale-Route im Visier. Das wären dann ca. 400 km üble und gefährliche Piste. Damit wir die Route reifentechnisch überstehen, habe ich mir Addis sicherheitshalber einen Ersatreifen besorgt. Er ist zwar schmaler als der Original-Reifen aber besser als nichts. Außerdem noch jeweils einen Schlauch für hinten und vorne und diverse Reifen-Reparaturkids. Damit sollten wir uns durchschlagen können.
Die Hauptstraße nach Süden ist nicht allzu attraktiv aber etwas weiter westlich führt eine schön ausgebaute und nicht allzu befahrene Nebenstraße ebenfalls nach Süden. Diese wollen wir nehmen.
Mein Navi führt uns sicher aus Addis heraus und nach ca. 20 Kilometern lassen wir auch den Stadtverkehr hinter uns. Über Sodo erreichen wir Arba Minch. Arba Minch hatten wir nicht wirklich auf dem Schirm, sondern nur als Zwischenstop eingeplant, sind aber überrascht von der Schönheit der Umgebung. Die Stadt, liegt an den Seen Abaya Lake und Chamo Lake. Eine Landbrücke trennt die beiden Seen. Diese wird wiederum Gods Bridge genannt und ist Teil des Nechisar Nationalpark. Genau oberhalb von Gods Bridge befindet sich die Paradise Lodge. Hier hat es uns eher per Zufall hin verschlagen und der Ausblick von hier auf die Seen und den Park haut uns echt aus den Socken. Wir trinken eine Cola und fragen, was die Übernachtung kostet. “70 Dollar”. Ok, außerhalb unseres Budgets. Das sagen wir auch. Dann kommen sie mit dem Angebot: “30 Dollar”. Frühstück inkl. Landry Service free, Internet-WLAN auch frei. Ok, da können wir nicht wiederstehen und beziehen ein kleines aber feines Zimmer auf der Lodge und geben auch gleich einen Berg voll Wäsche ab.
Wir haben einen schönen Abend mit fantastischem Blick und planen nun die nächsten Tage.
Wir erfahren, daß die Strecke nach Jinka, dem Tor zum Omo-Valley neu geteert wurde. Früher war das ein Höllenrit auf schlechter Piste und jetzt ist das völlig easy. Da dies auch meinem Reifen nichts ausmacht, beschließen wir dorthin zu fahren um die berühmten Stämme des Omo-Valleys zu besuchen.
Von Arba Minch geht die Straße ganz passabel nach Süden. Einige Teilstücke sind nicht asphaltiert bereiten aber keinen größeren Probleme. In Konso tanken wir nochmal nach und steuern jetzt auf nagelneuer Straße das 150 km entfernte Jinka an. Wir fahren erst durch schöne Gebirgslandschaft um dann nach ca. 100 km in eine Tiefebene zu gelangen. Die Höhe beträgt jetzt gerade mal noch knapp 600 Meter. So tief waren wir schon lange nicht mehr. Dafür steigt die Temperatur rapide an und wir haben wieder deutlich über 35 Grad. Just in diesem Moment reißt bei Martina der Kupplungszug. Technisch nicht weiter schlimm, denn ich habe Ersatz dabei. Aber, das ist unsere erste “Panne” auf der Tour.
Es geht wieder aufwärts und wir erreichen kurz später Jinka, welches wieder auf 1700 Metern liegt. Bei der “Scout Association” erkunden wir uns, wie wir jetzt zu den Stämmen im Omo-Valley kommen. Es scheint ein Standard-Programm zu geben. Man fährt mit Guide und Scout in den Mago-Nationalpark und besucht dort ein Dorf der “Mursi”. Die Mursi sind weltberühmt wegen Ihrer Tellerlippenfrauen. Also machen wir das auch so. Wir fahren mit Jeep und fachkundiger Begleitung zu den Mursi. Es soll ein Besuch in die Steinzeit werden.
Nach 3 Stunden klappriger Fahrt kommen wir in einem Mursi-Dorf. Die Bewohner sind natürlich auf Touristen eingestellt und es wird klargestellt, daß jedes Foto Geld kostet. Aber gut, das ist der Deal und teuer ist es eigentlich nicht. Wir können uns im Dorf umschauen. Frauen mahlen Getreide auf Steinen klein, irgendwo wird gerade ein angegährtes Gebräu aus Obst und Getreide in kleine Krüge abgefüllt aber wahrlich am beeindruckensten sind die Mursi selber. Alle Frauen im gebährfähigen Alter haben einen Schnitt in der Unterlippe und die untersten Schneidezähne fehlen. Meist haben sie auch riesige Ohrlöcher. In beides passen erstaunlich große Teller aus Holz, die Sie bei Bedarf – sprich wir wollen ein Foto machen – einsetzen. Da es für jede Foto Geld gibt, werden wir ständig angestoßen ob wir nicht ein Bild machen wollen. Meist schauen wir dann direkt in eine riesige Tellerlippe.
Alles in allem ist das aber harter Stoff für uns. Urplötzlich werden wir eine für uns völlig fremdartige Welt abgesetzt und eigentlich müssen wir erstmal verdauen was wir hier sehen. Wir erfahren am Rande, daß die Größe des Tellers was über den Status der Frau aussagt und die Männer die treibende Kraft hinter dieser Verstümmelung sind. Außerdem soll das Lieblingsgetränk der Männer Ziegenmilch mit Rinderblut sein. Gut, daß wir nicht eingeladen werden.
Ansonsten können wir kaum erahnen wie das Leben dieser Menschen wirklich aussieht. Die Gegend ist auch nicht besonders gesund. Es gibt Malaria, giftige Schlangen, Tse-Tse-Fliegen und wahrscheinlich haufenweise andere Krankheiten.
Ich habe jedenfalls das Gefühl, daß ich hier keine 3 Tage überleben würde.
Mit der Kamera voller Bilder und dem Kopf voller Eindrücke fahren wir zurück nach Jinka.
Abends sitzen wir noch mit unserem Guide zusammen und besprechen den Tag aber auch die Routen nach Kenia. Er rät von der Route über Moyale ab empfiehlt dafür die Route über Omorate und den Turkana Lake. Diese ist uns auch geografisch näher. Nach Omorate sind es noch 200 km, nach Moyale ca 600 km. Er meint, die Pisten dort wären viel besser als die von Moyale nach Marsabit. Martina hat Ihre Zweifel aber ich meine, daß es zumindest keine Sicherheitsprobleme dort gibt und die Turkana-Route touristisch viel interessanter ist. Die Pisten hier im Süden von Äthiopien haben uns bisher überhaupt keine Probleme gemacht haben und schließlich sind wir keine Anfänger. Also planen wir die Turkana-Route.
Von Jinka fahren wir ca. 40 Kilometer zurück Richtung Konso um dann nach Turmi abzubiegen. Turmi befindet sich mitten im “Hamer”-Gebiet. Wieder ein eigener Stamm. Die Frauen haben hier keine Tellerlippen. Allerdings sind Männer und Frauen bestückt mit kunstvollen Narben. Außerdem haben die Frauen Narben von Striemen auf dem Rücken, die vom “Bull-jumping” herrühren. Dabei springen junge Krieger über angebundene Rinder und die Frauen bekommen dabei Peitschenhiebe. Je mehr sie bekommt, desto begehrenswerter ist sie. Für uns ist das alles schon krass. Auch hier besuchen wir ein Dorf. Die Hamer-Leute sind wesentlich entspannter als die Mursi und wir können uns problemlos umsehen und auch Fotos machen. Abgerechnet wird zum Schluß, jeder der auf einem Foto ist bekommt einen Obulus und der Dorfchef obendrein gut 10 Dollar für den Dorfbesuch.
Nun wird es aber ernst für uns. Von Turmi fahren wir nach Omorate, im 3-Ländereck Äthiopien, Kenia und Südsudan. Dort gibt es nun ein Immigration- und Customs-Office und wir können hier offiziel ausreisen. In Omorate kaufen wir auf dem Schwarzmarkt noch genug Sprit um die Tanks randvoll zu füllen. Dann fahren wir ca. 20 Km auf der Hauptpiste zurück Richtung Turmi. Wir stehen vor einer schmalen sandigen Buschpiste, die nach Kenia führen soll und ahnen nicht, was uns bevorsteht.
frohe weihnachten, kommt gesund nach hause, eure berichte sind total spannend, wir freuen uns auf jeden neuen. liebe grüsse von norbert , andrea und gina.
Hallo Martina,
hallo Lieven,
herzliche grüße aus Deutschland. Wir sind die, die Ihr in Key Afer getroffen habt. Wir waren zu viert unterwegs. In Key Afer hast du, Martina, uns uns auf den Markt begleitet.
Endlich sind wir mal dzu gekommen, uns Eure Reisaufzeichnungen anzusehen. Hört sich richtig toll an und, zumindest was Äthiopien angeht, deckt sich vieles mit unseren Erfahrungen und Eindrücken.
Wie weit seid Ihr den inzwischen gekommen?
Wir wünschen Euch weiterhin viele spannenden und aufregende (aber sichere) Erfahrungen und werden von nun an Eure Berichte regelmäßig verfolgen.
Ach ja, eins noch, Dir Martina noch herzliche Glückwünsche (nachträglich) zu Deinem Geburtstag. Hoffentlich hast Du ihn so verbringen können wie gewünscht.
Viele liebe Grüße aus der Heide senden Euch
Lydia & Jochen